Aktuelles Ältere Migrant:innen Museum

Einsamkeit im Alter vorbeugen – aktive Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen

Einsamkeit im Alter vorbeugen – aktive Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen

…unter diesem Titel hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gemeinsam mit der Bundearbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V. (BAGSO) eine zweitätige Tagung in Berlin durchgeführt mit dem Ziel ein Zeichen zu setzen gegen Einsamkeit und soziale Isolation im Alter.

Einsamkeit im Alter vorbeugen - aktive Teilhabe an der Gesellschaft moeglich. Veranstaltung mit Bundesministerin Giffey und Franz Muentefering
Franz Muentefering (BAGSO), Ali Eliş (ZIS) und Bundesministerin Franziska Giffey (c) Kathrin Harms

Nach der Eröffnung der Tagung durch Frau Dr. Franziska Giffey hat die Bundesministerin gemeinsam mit Herrn Franz Müntefering, Vorsitzender der BAGSO, Preise an vorbildliche Projekte gegen Einsamkeit und soziale Isolation verliehen, die im Rahmen des in Kooperation mit der BAGSO durchgeführten Wettbewerbs „Einsam? Zweisam? Gemeinsam!“ für innovative Ideen gegen Einsamkeit und soziale Innovation von einer unabhängigen Jury in fünf Kategorien vergeben wurden.

Im Rahmen der Veranstaltung fand außerdem ein „Markt der Möglichkeiten“ statt, durch den die Projektträger aus ganz Deutschland sich kennenlernen und austauschen konnten.

Das Programm der Tagung finden Sie hier.

Nach einer Vorstellung der Ergebnisse der Fachtagung „alt-einsam-isoliert“ des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands – Gesamtverband e. V. vom Dezember 2018 durch Herrn Dr. Ulrich Schneider; Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbands, fanden fünf Fachforen mit Impulsreferaten namhafter Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen aus der Praxis statt.

Herr Dr. Schneider verwies auf Parallelen zwischen den Themen Einsamkeit und Armut. Da soziale Kontakte als Statussymbole betrachtet werden, wird Einsamkeit genauso wie Armut oft tabuisiert. Es handele sich aber nicht um Privatprobleme. In einer Gesellschaft, in der ökonomischer Erfolg mit Mobilität verbunden ist und in der sich die Art des Zusammenlebens stark geändert hat, ist die Gefahr der Vereinsamung gestiegen.

ZIS Delegation - Gudrun Münchmeyer-Elis, Zeynep Sümer, Ali Elis (c) Gudrun Münchmeyer-Elis
ZIS Delegation – Gudrun Münchmeyer-Elis, Zeynep Sümer, Ali Elis (c) Gudrun Münchmeyer-Elis

An dieser Stelle möchte ich gerne anknüpfen und auf die älteren Migrant*innen, unsere Zielgruppe der Seniorenarbeit im Zentrum für Migranten und Interkulturelle Studien, eingehen. Es wird oft pauschal unterstellt, dass der Familienzusammenhalt in Familien mit Migrationsgeschichte dafür sorgen würde, dass Einsamkeit keine Rolle spielen würde. In Deutschland sind aber alle Familien dem gleichen ökonomischen Druck und den gleichen Lebensbedingungen in ihrer Umwelt unterworfen. Unseres Erachtens führen Erwartungshaltungen der älteren Generation und die notwendige Anpassung der jüngeren an die Lebensbedingungen sogar zu einer verstärkten Tabuisierung von Einsamkeit. Wir beobachten diese Problematik in unserer Beratung, die wir in der Kontaktstelle für ältere Migrantinnen und Migranten und deren Angehörige anbieten.

Es gibt aber noch eine andere Dimension von Einsamkeit, die Menschen mit Migrationsgeschichte sehr oft betrifft, und das ist das Gefühl der Nichtzugehörigkeit. Unterschiedlich ausgeprägt und unterschiedlich empfunden trifft man darauf, wenn man die Lebensgeschichten der älteren Migrant*innen hört. 50 Geschichten finden Sie im Virtuellen Museum der Migration: www.migranten–bremen.de .

Titelbild Kollage Ali Riza Bockkran web (c) ZIS
Titelbild Virtuelles Museum der Migration (c) ZIS

Allein die Zahl der älteren Migrant*innen zeigt uns aber auch, dass unsere Gesellschaft diese Menschen wahrnehmen muss. Sie gehören dazu und auf ihre Bedarfe und Bedürfnisse muss eingegangen werden.

Einige Zahlenbeispiele aus Bremen: Der Bevölkerungsstand in der Stadt Bremen betrug 2017 insgesamt 566.948 Menschen, davon 201.676 mit Migrationshintergrund (31.12.2017, Statistisches Landesamt Bremen).
In der Altersgruppe der 65jährigen und älter hatten 16,75% einen Migrationshintergrund, das waren 19868 Menschen. Bei den 50-65jährigen waren es 29866 Personen, also 25,42 %. (eigene Berechnung auf der Grundlage: Statistisches Landesamt Bremen; 31.12.2017)
Die Bevölkerungsentwicklung zeigt, dass insgesamt in Bremen der Anteil an älteren Menschen mit Migrationshintergrund in den kommenden Jahren stark ansteigen wird. In einigen Stadtteilen, z.B. Bremen-Gröpelingen, lag der Anteil der über 65jährigen 2017 schon bei 25,8% und der 50-65jährigen bei 35,89%. (Quelle: Statistisches Landesamt Bremen)

Ältere Migrant*innen und Angehörige brauchen die Möglichkeit sich inhaltlich besser über Angebote der Altenhilfe zu informieren sowohl durch muttersprachliche Informationsveranstaltungen als auch durch individuelle Beratung, denn leider bestehen noch immer pauschale Vorstellungen über Altenhilfe, die zu Ängsten und Ablehnung führen. (300 Befragungen ZIS, 2005 und weitere Befragung 2015). Die Vielfalt und Möglichkeiten individueller Unterstützung werden so erst gar nicht in Betracht gezogen.

Beratung (c)ZIS
Beratung (c)ZIS

Von Seiten der Institutionen wird die Frage nach der Überwindung von Zugangsbarrieren wie Sprache und /oder Informationsmangel gestellt. Um diese Menschen zu erreichen spielen zwei Faktoren entscheidende Rollen: das Vertrauen zu Ansprechpartner*innen und die wohnortnahen Kontakte.

Durch die kontinuierliche Arbeit der Kontaktstelle für ältere Migrantinnen und Migranten -Köprü, die von der Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport gefördert wird, konnten wir in Bremen sehr viel Vertrauen aufbauen und Unterstützungsarbeit leisten und als Vermittlerin – „Köprü=Brücke“ – zwischen den Altenhilfeträgern und den betroffenen Menschen fungieren. Seit diesem Jahr haben wir die Möglichkeit, diese Arbeit auf weitere Stadtteile auszuweiten mit der Hilfe und dem freiwilligen Engagement von Migrant*innen.

Das Projekt „Alt ist nicht gleich alt“, gefördert vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat bis einschließlich Ende Mai 2019 insgesamt über drei Jahre, hat im Bereich Freizeit, Bildung und Kultur eine ganze Palette von Angeboten entwickeln können, die wiederum durch freiwilliges Engagement von Migrant*innen über den Projektzeitraum hinaus weiterhin Bestand haben werden.

Wir freuen uns sehr, mit diesem Projekt einen Preis in dem Wettbewerb „Einsam? Zweisam? Gemeinsam!“ für innovative Ideen gegen Einsamkeit und soziale Innovation gewonnen zu haben. Die Auszeichnung motiviert unsere Freiwilligen auch in diesem Bereich weiterhin aktiv zu sein.

Text: Gudrun Münchmeyer-Eliş